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AutorenbildMichael Rüegg

Kolumne - Michi Rüegg: Auf den Hund kommen


Michi Rüegg ist vorübergehend aus Zürich geflohen. Im französischen Rhonetal ist er ein paar tierischen Gestalten der besonderen Art begegnet.

November ist eine meiner liebsten Reisezeiten. Man verschwindet, wenn das Personal im Detailhandel dabei ist, den ganzen Weihnachtskarsumpel aufzubauen. Und wenn man wieder zurückkommt, knipsen sie an der Bahnhofstrasse bereits die Lichter an. Dieses Jahr bin ich für einen ganzen Monat abgehauen, und das war eine gute Entscheidung. Als Ziel wählte ich Lyon. Hier sitze ich nun seit einer Weile und denke über diese Stadt nach. Wenn Paris der Kopf Frankreichs ist, ist Lyon sein Bauch. Vermutlich kann man auch hier sehr schlecht essen, aber es ist bestimmt schwerer als anderswo. Die Leute wechseln auch nicht sofort auf miserables Englisch, wenn man sie anspricht.

Ein Freund aus Zürich, der ab und zu hierherkommt, empfahl mir eine Bar. Sie sei ganz nett, so eine Art Cranberry.

Auf dem Heimweg an einem regnerischen Samstagabend begab ich mich dorthin. Es war noch nicht mal 20 Uhr, aber der Schuppen war zum Bersten voll, und zwar nicht nur mit Männern, sondern auch mit Hunden. Die Fifis standen im ganzen Lokal herum. Sie beschnupperten sich gegenseitig, da und dort pfötelte der eine an einem Herrchen herum. Da waren verschiedenfarbige und unterschiedlich grosse Köter, dicke und dünne. Die einen sahen bedrohlich aus, andere mehr oder weniger niedlich. Alles in allem war der Aufmarsch für eine Bar etwas ungewöhnlich, hielt sich aber im Rahmen.

Zumindest theoretisch, denn ein Detail überraschte mich: Bei den Hunden handelte es sich keineswegs um Vierbeiner. Es waren vielmehr Männer mit Hundemasken, Leinen, und teilweise mit Pfotenhandschuhen. Sie trugen Wollpullover, Lederhosen, Latexshirts. Einige knurrten. Auch wenn ich selber von Fetischen jedweder Art nur marginal befallen bin, finde ich es durchaus sympathisch, wenn Menschen in sexueller Hinsicht etwas aus dem Rahmen fallen. Doch die Hundeshow überforderte mich leicht.

Einige der Masken stammen, wie ich später erfuhr, aus einer lokalen Manufaktur. Der «Dog Klub», ein schwuler Sex- und Fetischladen, lässt sie eigens produzieren, nach Vorbildern unterschiedlicher Hunderassen und aus hochwertigem Leder und anderen Materialien. Die Nachfrage scheint gross. Lyon ist offenbar so etwas wie das Hundeparadies Europas. Ob die wie die echten Köter auch überallhin kacken, weiss ich nicht. Sucht man im Web nach entsprechenden Filmdokumenten für Erwachsene, tauchen tatsächlich ein paar Szenen auf. Häufig zeigen sie, wie junge «Hunde» trainiert werden. Auch wenn die Welpen da drauf ganz niedlich sind und auch ganz lieb bellen und winseln, wirken sie nur ansatzweise süss, eher verstörend.

Eine Hundeallergie habe ich keine, ich halte mich dennoch eher fern von dieser Szene. Noch bin ich nicht auf den Hund gekommen. Auf keinen von denen. Ich bin eher der Katzentyp. Mal schauen, ob sich das eines Tages auch durchsetzen wird. Im Gegensatz zu Hunden kann man Katzen nicht trainieren. Sie unterwerfen sich nicht, machen, was sie wollen. Der Katzenfetisch wird wohl eher etwas für langjährige Beziehungen werden. Nach dem Motto: Fass mich nicht an, sonst kratz ich dir die Augen aus.


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