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AutorenbildMichael Rüegg

Kolumne: Die lieben kleinen verdammten Rotznasen


Die schwule Community wird sich grundlegend verändern, sobald die Heterosexualität das Monopol aufs Kinderkriegen abgibt. Ein Grund zur Freude? Mitnichten, findet Michi Rüegg.

Ich fliege nicht mehr allzu oft in der Weltgeschichte umher. Vor allem, weil Fliegen heutzutage eine Zumutung ist. Soeben bin ich nach Berlin gereist. Mit einem Nachmittagsflug. Wie bei allem, was an einem Nachmittag stattfindet, war die Kinder- und Seniorendichte im Flieger enorm. Kaum hatten sie Platz genommen, stellten die Senioren ihre Sitzlehnen zurück, schlossen die Augen und begannen zu sabbern. Die Kinder hingegen kreischten während der gesamten Flugzeit vor sich hin. In der Ankunftshalle kletterten sie aufs Gepäckband.

Wie schön, dass wir schwulen Männer derzeit noch von Nachwuchs unbelastet sind. Bei den Lesben hat sich das Kinderkriegen ja schon eingebürgert. Es wird nicht mehr lange dauern, da werden auch schwule Paare Kinder haben. Die Weichen dafür sind gestellt. Als ich mir mit Anfang Zwanzig mein Gay-Leben zusammenzimmerte, war für mich klar, dass Kinder darin nicht vorkommen werden. Fragt man heute schwule Teenager, tönt das anders: Mol, aso ich will scho en Maa und Chind. Mal ganz davon abgesehen, dass zwei Väter keinen Mutterschaftsurlaub bekommen, werden noch weitere Probleme die schwulen Familien plagen.

Denn hat unsereins erst einmal Söhne und Töchter, entstehen Betreuungspflichten. Man kann nicht mehr einfach tun und lassen, was man will. Vor allem wird das Spontansein erschwert. Andererseits tun sich auch neue Märkte auf. So ist davon auszugehen, dass Schwulensaunas künftig eine Kinderspielecke anbieten müssen. So, du mümmelst hier ganz lieb mit Leon und Paula, während der Papi drüben ein bisschen fummeln geht. Auch Gayclubs könnten solche Angebote ins Programm aufnehmen. Bald schon werden wir an den Hedonistenstränden von Sitges und Ibiza kleine Kinder in Dsquared-Badehöschen sehen, die Sandburgen bauen.

Schwierig wird das Online-Dating. Hat man auf Grindr erst einen kernigen Top oder einen anschmiegsamen Bottom ausgemacht, kommt die Frage: Was tun mit Anne Catherine und Carl Johann, während man dem gepflegten Chemsex mit einem muskulösen Latino fröhnt? Hat man nicht zufällig eine nette ältere Nachbarin, bei der man die Gofen deponieren kann, ist man auf Hilfe von aussen angewiesen. Ich arbeite derzeit an einer App, einer Art Grindr für Notfallbabysitter. Man schaut im Umkreis, ob irgendjemand freie Zeit hat und kann dann die Person zu sich bestellen, ihr die Kids übergeben und sie zum Spielplatz schicken. Bezahlt wird via Kreditkarte, wie bei Uber. Vielleicht liesse sich der Service sogar mit Grindr verlinken, und auf Knopfdruck kommt irgendwer sitten.

Es empfiehlt sich auch, die Dildo- und Accessoires-Sammlung gut zu verstauen. Es ist zwar ein lustiger Anblick, wenn so ein kleiner Wurm mit einem Doppeldong Schlange-im-Urwald spielt, aber gelangen solche Bilder nach aussen, steht bald einmal die Kesb auf der Matte und bezweifelt die Erziehungsfähigkeit.

Vor allem aber sollten schwule Paare vor der Anschaffung von Kindern daran denken, dass die Scheidungsrate bereits bei Heteros sauhoch ist und man ja irgendwie auch an die Kosten denken sollte, die eine Trennung verursacht. Ich sage nur: Internate sind ja auch nicht grad günstig.

Es stehen Veränderungen an, doch die Community wird auch mit denen umzugehen wissen. Ein positiver Effekt der anstehenden Kinderwelle: Wir werden uns nicht mehr von unseren Heterofreunden entfremden, kaum haben deren Frauen geworfen. Kennt man, nicht? Wir treffen die ehemals beste Freundin oder den ehemaligen Superkumpel – doch deren Welt dreht sich nur noch um das röchelnde kleine Teil, das sie in einem sündhaft teuren ergonomischen Tragbett mit sich rumschleppen. Jööö, lueg, er hät kötzlet!

Ich persönlich werde dem schwulen Kinderkriegen folgendermassen begegnen: Geld sparen und nur noch First-Class-Fliegen. Rücklehne zurückwerfen. Sabbern.


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